Ein Gespräch über „Gott und das Theater“ zwischen Superintendent Dr. Johannes Krug und Ehrengast Ulrich Khuon

Sommerabend auf Nikolskoe am 4.Juli 2023

Ein Gespräch über „Gott und das Theater“ zwischen Superintendent Dr. Johannes Krug und Ehrengast Ulrich Khuon

 

Der Abend mit dem scheidenden Intendanten des Deutschen Theaters begann mit zwei guten Nachrichten:

Almut Giesen, die Vorsitzende unseres Freundeskreises Nikolskoe, verkündete in ihrer Begrüßung, der Freundeskreis der Kirche habe nun das 102. Mitglied werben können und die für die Restaurierung der vier Bänke vor der Kirche erforderlichen 18.000 Euro seien u.a. durch Spenden zusammengekommen.

Sodann widmeten die zahlreich erschienen Zuhörer ihre volle Aufmerksamkeit dem intensiven Gespräch, das Superintendent Dr. Johannes Krug durch einfühlsame und auch herausfordernde Fragen mit seinem Gast, Ulrich Khuon, führte.

Auf die einleitende Frage, ob sich Berlin in den 14 Jahren seiner Intendanz am Deutschen Theater verändert habe, erzählte Ulrich Khuon, der hörbar aus dem Schwabenland stammt, von den Unterschieden der Städte Berlin und Hamburg, wo er viele Jahre das Thalia Theater geleitet hat. Hamburg habe schnell zu ihm gepasst. Berlin sei disparat – in Hamburg sei das Disparate  nicht sichtbar. Die Kieze in Berlin seien wie Kleinstädte, in denen man sich wohl fühle und auch Wärme finde.  Sein Kiez sei der Prenzlauer Berg an der Grenze zu Pankow, wo er „Osterfahrung“ gesammelt habe. Kulturell sei Berlin geeint, weil die Kulturstätten kreuz und quer durch die Stadt verteilt seien. Zu Beginn seiner Berliner Zeit sei das Deutsche Theater vielleicht etwas zu behutsam gewesen. Schön sei, dass man in Berlin schon nach einem halben Jahr sagen könne, man sei ein Berliner.

Die Möglichkeiten Theater zu machen hätten sich verändert, meinte Khuon. Heute müsse man lauter und deutlicher kommunizieren. Khuon blickt dabei auf die Zusammenarbeit mit den sehr unterschiedlichen Regisseur*innen am Deutschen Theater zurück, zum Beispiel auf Anne Lenk, die in ihren Stücken klug, sensibel und zeitgemäß die Zuschauer, vor allem auch junge Zuschauer, fasziniert habe. Andere Regisseur*innen wie Sarah Kane bevorzugten das grelle Krasse als Aufschlag. Sigrid Löffler agiere eher zuhörend, aus dem Ensemble heraus.

Auf die Frage, wie sich die Krisen in der Welt – Pandemie, Ukraine Krieg – auf das Theater ausgewirkt habe, führte Khuon, der viel zu sagen hat, auch über die Theaterwelt hinaus aus, dies seien doch für uns hier überschaubare Krisen und man sei weich gefallen. Die Pandemie habe ihn und das Theater nicht aus dem Gleichgewicht gebracht, zumal die Kulturpolitik damit gut umgegangen sei.

Schwere Zeiten seien für das Theater dankbare Zeiten, denn sie ermutigen zu neuen Wegen und alte Erkenntnisse könnten neu empfunden werden. Kunst könne diese gut formulieren. Man müsse aber auch demütig sein, wenn das Theater nicht beeinflussen könne.

Ulrich Khuon hat neben Germanistik auch katholische Theologie studiert. Mit 17 hatte er die Idee Priester zu werden, dies für sich aber als nicht lebbar erkannt.

Die FAZ (2.7.2023) hat ihn als „guten Hirten“ bezeichnet. Khuon selbst meint, er sei schon immer in seinem Leben Gruppenleiter gewesen, sei es im Studentenwohnheim oder auch im Theater mit den vielen Schauspielern. Die Religion habe für ihn eine stabilisierende Kraft. Kunst und vor allem das Theater könne die menschlichen Abgründe aufzeigen und gebe den Menschen die Chance, mit dem Abstand von eigenen Konflikten aus diesen Schicksalen etwas für sich selbst zu lernen. Denn, so Khuon weise, Menschen lernen gern, wenn sie selbst auf etwas kommen.

Die Kooperation zwischen der neuen evangelischen Grundschule und dem Deutschen Theater sei sehr gelungen. Das Theater müsse die Klassen erobern, denn im Theater lerne man en passant wie auf einem Abenteuerspielplatz.

Ulrich Khuon geht nun für ein Jahr als Interims – Intendant an das Züricher Schauspielhaus.

Als bleibende Erkenntnis aus den 14 Jahren in Berlin formuliert Khuon zusammengefasst Folgendes: Die Freiheit zu haben, dass ich trotzdem etwas versuche; verletzbar bleiben als Person, sich aus der Hütte wagen; tun, was man sagt; denken – sprechen – handeln.

Der Abend, der auf dem Vorplatz der Kirche noch lange währte, wird uns noch länger in Erinnerung bleiben.

Text: Anne-Ruth Moltmann-Willisch

Fotos copyright: Almut Giesen