Sommerabend auf Nikolskoe am 22. Mai 2024

Sommerabend auf Nikolskoe am 22. Mai 2024

Der Kunsthistoriker, Fotograf und Schriftsteller Dr. Boris v. Brauchitsch 

zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich

Wie schon vor zwei Jahren zog das erneut und sehr ernst amtlich vorhergesagte „schwere Gewitter“ an Nikolskoe vorbei, um uns einen feuchtwarmen Sommerabend zu bescheren, der fast Caspar-David-Friedrich‘sche Eigenschaften aufwies: Die Natur dräute am Horizont, dunkle Wolken belagerten das Licht vor St. Peter und Paul, das uns jedoch in seiner romantischen Leuchtkraft als positives Gegenstück zu Friedrich‘s oft hoffnungslosen Einsamkeit erschien.

So freute sich unsere Vorsitzende Almut Giesen auch sichtlich, dass „die Kirche dennoch voll“ war und sich kaum jemand der über 100 angemeldeten Gäste von den Naturgewalten abhalten ließ, den Interpretationen und Erkenntnissen des Gastredners zu folgen. Dieser nahm uns gleich von Anbeginn mit auf eine „gemeinsame Wanderschaft“ mit dem Künstler: Er nehme an, dass wir „zum Arbeiten“ gekommen seien, und wolle uns als wahren „Fans von CDF“ das „Warum“ näherbringen.  

Was ihm auch gelang: So entrückt uns der „Wanderer“ unter den romantischen Malern erscheint, so persönlich stellte Dr. v. Brauchitsch ihn uns als tiefreligiösen, gottergebenen, und naturverbundenen und dabei familiär traumatisierten, melancholischen und zutiefst einsamen Menschen vor. Er lenkte unsere Aufmerksamkeit auf manches Detail: Zieht die weibliche Gestalt auf dem Bild „Morgen im Riesengebirge“ den Mann zum Kreuz ? – (wozu schon Friedrich’s Zeitgenossin Helene-Marie v. Kügelgen schrieb: „Es sind die Frauen, die den Männern den Weg zu Gott weisen“) und machte uns mit seinen fundierten Thesen u.a. zu den Werken „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ vertraut.

Über Caspar David Friedrichs Satz „Jedem offenbart sich der Geist der Natur anders, darum darf auch keiner dem andern seine Lehren und Regeln als untrügliches Gesetz aufbürden.“ sannen wir auch nach dem Vortrag noch im Gespräch nach. Darf der romantische Visionär, verkannt und seiner Zeit voraus, von uns heute mehr Verständnis erwarten? Seine Bilder nahmen wir jedenfalls im Geist mit, als wir St Peter und Paul der Sommernacht überließen.

Text: HC Frhr. v. Reibnitz

Fotos copyright: Andrea Jark