Sommerabend auf Nikolskoe am 11. Juni 2025
Lesung von Stephan Ababarnell
Der Schriftsteller und ehemalige RBB-Kulturchef las aus seinem Buch:
PAULA ODER DIE SIEBEN FARBEN DER EINSAMKEIT
Bei wunderschönem Wetter und ersten sommerlichen Temperaturen begrüßte die Vorsitzende des Freundeskreises Anne Ruth Moltmann-Willisch unseren Gast Stephan Abarbanell sehr herzlich und stellte ihn den zahlreich erschienenen Gästen vor.
Stephan Abarbanell wurde in Braunschweig geboren und wuchs in Hamburg auf, dort und dann in Tübingen studierte er evangelische Theologie sowie Rhetorik – eine weitere Studienstation führte ihn nach Berkeley/ USA. Nach einigen beruflichen Stationen war er zuletzt von 2013 bis 2021 acht Jahre Kulturchef des RBB. Er entschied sich Schriftsteller zu werden und hat inzwischen fünf Bücher geschrieben, „Morgenland“, „Das Licht jener Tage“ und ein Buch über Walther Rathenau mit dem Titel „10.50 Grunewald“.
Stephan Abarbanell erläuterte wortgewandt und amüsant, dass er bei der Recherche seiner Arbeiten auf eine ungewöhnliche Notiz über den Besuch Konrad Adenauers bei David Ben Gurion stieß – für den Aufenthalt des hochbetagten Konrad Adenauers war im Rahmen des durchgeplanten Besuches kein Bett für einen Mittagsschlaf bereitgestellt – worauf Paula Ben Gurion ihm ihres spontan zur Verfügung stellte. Diese Frau weckte sein Interesse und nach vielen Schwierigkeiten, Zeitzeugen und Informationen über Paula zu finden, entstand dieses wundervolle Buch – rund um den Besuch Konrad Adenauers in Israel im Mai 1966.
„Paula oder die sieben Farben der Einsamkeit“ ist ein Roman oder besser ein Portrait über die Frau von David Ben-Gurion, dem Gründer des Staates Israel. Paula wurde in Minsk geboren. Ihre Eltern schickten sie nach NY, als die Situation der jüdischen Bevölkerung in Russland immer schwieriger wurde. Sie wollte dort eigentlich Medizin studieren, musste dann aber aus finanziellen Gründen auf eine Krankenschwesternausbildung umsteigen. Sie lernt in NY David Ben-Gurion kennen, sie heiraten und bekamen drei Kinder.
Der Roman erzählt die Geschichte einer starken Frau, die in ihrem Leben zahllose Kompromisse eingehen musste. Doch am Ende ihres Lebens wagt sie es, aufzubrechen und etwas nur für sich zu tun. Der Roman spielt 1966; Paula ist 74 und lebt mit ihrem Mann, den sie 1915 kenngelernt und geheiratet hat, in einem Kibbuz in der Negev Wüste in Israel. Ben-Gurion erwartet in diesen Tagen den Besuch seines späten Freundes, Konrad Adenauer. – Die Rückblenden im Roman geben einen tiefen Blick auf Paulas Leben, das stellvertretend gelesen werden kann für viele Frauen ihrer Generation: Weltkriege, Armut, Mutterschaft, politische Gemengelage und fehlende Gleichberechtigung bestimmten das Leben.
Der besondere Abend klang entspannt aus mit Brezeln und Wein in anregenden Gesprächen untereinander sowie mit Stephan Abarbanell, der viele Bücher signierte, mit dem unvergleichlichen Blick von St. Peter und Paul über Havel und Wannsee.
Text: Andrea Jark Fotos: Sabine Diesselhorst